Die Wiener Christlichsoziale Partei 1910-1934

Das Buch von Markus Benesch bietet einen spannenden Einblick in die Probleme und Herausforderungen und in die Zerrissenheit einer Partei zwischen bundespolitischen Notwendigkeiten und landespolitischen Nöten.

 

In der Zeit von 1910 bis 1934 wurde aus der bürgerlichen Reichshaupt- und Residenzstadt die politische Bastion der österreichischen Sozialdemokratie, das „Rote Wien“. Und aus der alles beherrschenden Bürgermeisterpartei des Karl Lueger wurde eine kommunale Oppositionspartei, die aber weiterhin eine bedeutende Rolle spielen wollte. Einzelnen Exponenten wie Ignaz Seipel und Carl Vaugoin (langjähriger Heeresminister) gelang das auf Bundesebene.

 

War die CSP bis etwa 1907 eine Partei des Wiener Kleinbürgertums „und wenigstens im Ansatz sozialreformatorisch orientiert, veränderte sie sich danach zu einer konservativen Reichspartei des deutschsprachigen besitzenden katholischen Bauern- und Bürgertums. Die christliche Arbeiterschaft wurde über viele Jahre hinweg vom Rest der CSP kritisch beäugt.“ Hatte die CSP 1924 in Wien noch 59.000 Mitglieder (bei 338.000 Wiener Stimmen bei der Nationalratswahl 1923) waren es 1930 nur noch 28.000. Mit demokratischen Mitteln sollte es also nicht gelingen, die Sozialdemokratie aus dem Wiener Rathaus zu entfernen. Das zeigten die letzten freien Gemeinderatswahlen am 24. April 1932 eindrucksvoll (SDAP 66 Mandate, CSP 19, NSDAP 15). Der Antisemitismus der CSP trieb die bürgerlichen Teile des Wiener Judentums, die vom Klassenstandpunkt keine Nähe zur Sozialdemokratie hatten, in die Arme der SDAP.

 

Das Resümee des Buches lässt Parallelen zur Gegenwart erkennen: „Mit der Wiener SDAP hatte die CSP einen übermächtigen Gegner, der durch seine Wohnbautätigkeit, den Ausbau des sozialen Netzes und seine Bildungsarbeit Wien nachhaltig veränderte und Mitglieder und WählerInnen gewann. Ausgeschlossen von der Mitgestaltung, belächelt und ignoriert von Teilen der eigenen Bundespartei, nostalgisch in Bezug auf Erinnerungen auf längst vergangene glorreiche (monarchistische) Zeiten, entwickelten erhebliche Teile der Funktionärsriege ein hohes Aggressions- und Frustrationspotenzial.“ Das Buch ist für SozialdemokratInnen lesenswert, weil es Einblicke in die Diskussionen und Probleme des politischen Gegners bietet. Benesch, selbst ÖVP-Bezirksrat, berichtet seitenweise von den Diskussionen auf Landesparteitagen, schreibt über die Entstehung der Wiener Wohnbausteuer u. V. m. Die Innenpolitik der Ersten Republik wird verständlicher.

Markus Benesch: Die Wiener Christlichsoziale Partei 1910-1934. Eine Geschichte der Zerrissenheit in Zeiten des Umbruchs; Böhlau 2013; 344 Seiten; ISBN 978-3-205-79475-2; € 39,00